Dass ich dieses Wochenende wieder zu einem Seminar in St. Ottilien fahre, erinnert mich an eine Begebenheit auf dem Weg zum vergangenen Kurswochenende der Dialogbegleiterausbildung, irgendwann letzten Herbst. Damals wusste ich noch nichts von Bandidos und Hell’s Angels (da war ich noch klein und unbedarft 😉 ) und meine Begleiterin auch nicht.
Das war gut so, denn sonst hätten wir wohl die folgende Begebenheit nie erlebt…
Da St. Ottilien keinen S-Bahnhof hat, stiegen wir in Geltendorf (bei München) aus und wollten zum Zielort laufen – es sollte ein ganz hübscher Weg dahin führen und ich hatte mir das auf der Karte mal angesehen: So ziemlich immer gerade aus.
Wir liefen also los, doch schon bald stießen wir auf eine Weggabelung, die uns St. Ottilien nach rechts auswies. Als wir kurz darauf unter einer Eisenbahnbrücke die Wahl zwischen einer geteerten Straße und einem einsamen Feldweg hatten, ließen wir das weibliche Sicherheitsgefühl entscheiden: Feldweg + einsam + Dämmerung = besser nicht. Geteerte Straße + (die vorhergehende Weggabelung mit einbezogen) wieder geradeaus = besser.
Wir liefen und liefen. An der Bahnstrecke entlang. Weit und breit kein Haus, aber nun gut, 5-10km sind ja auch nicht zu kurz. Ein Weg geht ab, doch wir folgen unserer Straße. Kurz darauf ein beleuchtetes Haus zu unserer Rechten: Das Kloster?
Also zurück, den Weg eingeschlagen und laufen bis wir vor einem kleinen Gehöft stehen. Nein, wohl eher nicht das Kloster. Sieht nach einer Bar aus. „Bandidos“ steht drüber. „Ist ja gruslig“, sagt meine Begleiterin. „Ach was“, sage ich, „Bars haben doch immer komische Namen„. Wir gingen näher ran, doch durch die Milchglasfenster war nichts zu erkennen und an der Tür hing ein Zettel: „Nur für geladene Gäste“.
Meine Begleiterin wollte weitergehen, doch ich meinte: „Wir wollen ja nicht bleiben, nur nach dem Weg fragen. Wir müssen also nicht geladen sein“. Ehe ich weiter nachdenken konnte, versetzte mir meine Begleiterin einen Schreck indem sie die Klingel betätigte. Wir betraten den Raum und staunten nicht schlecht:
Hinter der Tür war ein Gitter angebracht, in dem eine weitere Tür eingelassen war. Das war zwar komisch, aber was soll es nicht alles geben… Mutig gab ich meinen Worten Stimme: Wo denn St. Ottilien sei? Zur Antwort bekamen wir die freundliche Aufforderung, doch die Gittertür zu öffnen und hereinzukommen und dass wir da ganz schön falsch seien. Die drei rundlichen Männer, die mich unwillkürlich an älter und dicker gewordene Rocker mit Motorrädern erinnerten, lachten herzlich über unsere Frage.
Man beschrieb uns den Weg zur Straße und fragte vorsichtshalber: „Ihr seid doch mit dem Auto da?“. Wir verneinten und nun war es an ihnen zu staunen. Spontan schlug sofort einer von ihnen vor, uns schnell rüber zu fahren. Intuitiv lehnten wir beide höflich ab, doch auf ein weiteres Angebot ließ ich mich zu einem OK hinreißen, dem sich meine Begleiterin ergeben musste.
Im Auto erzählte der Mann dann lachend, dass es doch seltsam wäre, dass wir ausgerechnet zu ihnen gekommen wären: Sie seien ja gerade ganz groß in den Schlagzeilen (sachlich geäußert). Abgelenkt von seinem Fahrstil, der mich an einige rabiate Mitfahrgelegenheiten (dennoch eine Seltenheit) erinnerte, hörte ich irgendetwas von Bandenkriegen und dachte an Dorfgangs, die sich auf dem Rathausplatz mal betrunken prügeln – nicht schön, aber harmlos. Meine Begleiterin saß zwar auf dem Beifahrersitz, hatte aber dennoch noch weniger verstanden als ich.
Am Kloster verabschiedeten wir uns dankbar, endlich am Ziel zu sein und glücklich, eine nette Bekanntschaft gemacht zu haben.
Nachts im Zug zurück nach München fiel ein anderer Kursteilnehmer aus allen Wolken: „Wie hießen die??? Bist du dir da sicher?“ und klärte mich auf.
Mittlerweile habe ich natürlich bei meiner täglichen Zeitungslektüre mehr auf den Krieg zwischen Bandidos und Hell’s Angels geachtet und bin auf dem Laufenden.
Was dort geschieht, kann ich keinesfalls gut heißen. Solches Verhalten muss definitiv bestraft werden!
Was mir aber solch ein Erlebnis zeigt: Es sind Menschen. Menschen, denen man durchaus auch bis zu einem gewissen Maß Vertrauen schenken kann und manchmal und wenn man sie besser kennt, sicher auch über dieses Maß hinaus.
Apropos Maß:
Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider:
Er nimmt jedes Mal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch.
(George Bernard Shaw)
Danke für das Lob, wenn Du (Ihr) wieder einmal in der Ecke seit einfach reinschauen
BANDIDOS MC STARNBERG
SOUTHEND
Danke für die Einladung 🙂
leider war ich krank und daher nicht beim Seminar. Ansonsten bin ich nicht oft in der Ecke… Aber wer weiß… 😉
[…] Dauerbrenner wie Rassismus und Islam in den Medien, es gibt Zeitzeugenberichte aus dem Krieg und andere Blickwinkel auf “die Bösen” anhand der Bandidos, es gibt lachen und weinen und auch einfach Antworten auf Allerweltsfragen, die […]